Head­hun­ters Alp­traum

oder: Der Teu­fel steckt immer im Detail

Die bes­ten Jäger sind nicht die mit der größ­ten Feu­er­kraft, son­dern jene, die es ver­ste­hen, sich dem Wild im rich­ti­gen Augen­blick in der rich­ti­gen Wei­se zu nähern. Womit ein Qua­li­täts­merk­mal guter Head­hun­ter schon beschrie­ben wäre.

Auf­trag­ge­ber, die das Wis­sen der „Jäger“ über Timing und Details nicht nut­zen, ver­prel­len die bes­ten Kan­di­da­ten durch manch­mal sehr bana­le Feh­ler.

Hier ein paar beson­ders fata­le: 

1. Die Assis­ten­tin macht den Ter­min ohne die Hin­ter­grün­de zu ken­nen.

Wenn es nach dem Ter­min­ka­len­der des Chefs geht, ist eigent­lich nie so rich­tig Zeit. Für ein Gespräch mit dem neu­en Kan­di­da­ten braucht man min­des­tens eine 2‑Stun­den-Lücke. Das wäre dann, sagen wir mal, in etwa 3 Wochen. – Lei­der hat kei­ner dabei bedacht, dass vor dem Ver­trags­ab­schluss auch auf der ande­ren Sei­te noch eini­ge Abstim­mungs­schrit­te lie­gen. Und dass ein Fei­er­tag mit Brü­cken-Wochen­en­de dazwi­schen liegt. Und dass der Mann, der die Ver­trä­ge schreibt, dann in Urlaub sein wird. So wird der Quar­tals­ter­min für die Kün­di­gung ver­passt, mit­hin 3 Mona­te Zeit ver­lo­ren. Ein Kan­di­dat der ers­ten Liga ent­deckt in der Zwi­schen­zeit wahr­schein­lich ande­re Alter­na­ti­ven…

Die Prio­ri­tät beim Pro­zess der Beset­zung von Füh­rungs­po­si­tio­nen kann gar nicht über­schätzt wer­den. Was hier ger­ne der Per­so­nal­ab­tei­lung über­las­sen wird, soll­te eine Chef­sa­che von aller­ers­ter Wich­tig­keit und Dring­lich­keit sein. Das Opfern ande­rer Ter­mi­ne darf dabei kein Tabu dar­stel­len. Ähn­lich wie bei der Raum­fahrt gibt es näm­lich bei der Per­so­nal­su­che bestimm­te Zeit­fens­ter, die den Erfolg der Mis­si­on erst mög­lich machen. Der Bera­ter weiß, wel­che davon getrof­fen wer­den müs­sen. Wer die­sen Gesetz­mä­ßig­kei­ten nicht folgt, fliegt ins Lee­re.

2. Der Besuch des Kan­di­da­ten ist nicht vor­be­rei­tet

Das Beset­zen von Spit­zen­po­si­tio­nen gehört nicht zur all­täg­li­chen Rou­ti­ne. Daher gibt es auch sel­ten kla­re Abläu­fe für den Besuch von Füh­rungs­kan­di­da­ten im Unter­neh­men. Das kann ins Auge gehen, wie fol­gen­des Pra­xis-Bei­spiel zeigt: Der Ter­min für das ers­te Gespräch ist end­lich gefun­den und der Kan­di­dat erscheint etwas frü­her als geplant (die Auto­bahn war wider Erwar­ten frei) am Emp­fang. Dort begrüßt ihn eine jun­ge Dame mit den Wor­ten: „Hal­lo, wer bist du denn?“ Nach­dem Herr Dr. Mül­ler vor­sich­tig und ohne zu viel zu ver­ra­ten sei­ne Ver­ab­re­dung mit dem Chef erklärt hat, kommt die zwei­te Dusche: „Upps, das ist aber jetzt früh. Ich weiß nicht, ob der Chef schon da ist.“ Schö­nes Bei­spiel ist auch der rou­ti­nier­te Pfört­ner, der genau weiß, wer hier rein­kommt und wer nicht: „Mül­ler? – Hab ich hier kei­nen auf mei­ner Lis­te!“

Ein Gespräch der Sekre­tä­rin mit der Pfor­te am Vor­tag unter Berück­sich­ti­gung des Dienst­plans (wer sitzt am nächs­ten Mor­gen hier?) wür­de manch unele­gan­te Ein­füh­rung in die real exis­tie­ren­de Unter­neh­mens­kul­tur ver­mei­den. Bei der Beset­zung von Füh­rungs­po­si­tio­nen, wo man bei „Bewer­bungs­ge­sprä­chen“ oft nicht wirk­lich sagen kann, wer sich hier bei wem bewirbt, kön­nen Klei­nig­kei­ten, die den­noch tief bli­cken las­sen, der Anfang vom Ende sein.

Wie wäre es, wenn statt­des­sen der Chef per­sön­lich den Kan­di­da­ten am Ein­gang herz­lich begrüßt und deut­lich macht, dass man ihn hier ger­ne sieht? Egal, ob er spä­ter den Zuschlag erhält oder nicht – jedes Unter­neh­men zeigt mit sol­chen schein­ba­ren Neben­sa­chen, wie respekt­voll es mit Men­schen umgeht und wie wich­tig ihm neue Mit­ar­bei­ter sind.

3. Opti­mie­ren bis zum Anschlag

Es war eine Suche mit zügi­gem Ablauf: Schon der ers­te Kan­di­dat, den der Bera­ter prä­sen­tier­te, schien in fast jeder Hin­sicht gut geeig­net. Eigent­lich war man sich über die Eck­punk­te schon beim ers­ten Gespräch einig und der Ver­trag hät­te zu einem güns­ti­gen Ter­min geschlos­sen wer­den kön­nen. Wenn – ja wenn das Wört­chen „fast“ nicht wäre, und der Kan­di­dat nicht gera­de der ers­te. Kann man den ers­ten ein­fach so neh­men? Den „Erst­bes­ten“ sozu­sa­gen? Muss man sich nicht erst noch mal umschau­en, ob sich nicht noch etwas Bes­se­res fin­det?

Die alte Volks­weis­heit „Es gibt nichts Bes­se­res als etwas Gutes“ trifft hier wohl den Nagel auf den Kopf. Soll hei­ßen: Per­fek­ti­on ist in vie­len Fäl­len nur eine Illu­si­on. Über­zo­ge­ne aber unkla­re Ansprü­che sor­gen für Unsi­cher­heit. Der güns­ti­ge Augen­blick, das „gute Gefühl“ und die Erfah­rung des Bera­ters aus hun­der­ten von Fäl­len wer­den einem Prin­zip geop­fert, das schein­bar für Sicher­heit sorgt, in Wirk­lich­keit aber nur eine unnö­ti­ge Selbst-Ver­un­si­che­rung dar­stellt.

Fern­ab von jeder has­ti­gen oder kopf­lo­sen Ent­schei­dung zei­gen Auf­trag­ge­ber wah­re Füh­rungs­stär­ke, wenn sie mit Ver­trau­en in die eige­ne Intui­ti­on und die Erfah­rung des Bera­ters den güns­ti­gen Augen­blick, die pas­sen­de Kon­stel­la­ti­on erken­nen und nicht bis in die letz­te Faser hin­ter­fra­gen. „Seren­di­pi­ty“ (was hier so viel wie „Spür­sinn für die Situa­ti­on“ bedeu­tet) heißt die alte, in der neue­ren Manage­ment-Lite­ra­tur wie­der­ent­deck­te Phi­lo­so­phie der intui­ti­ven Spon­tan-Stra­te­gie, die schon die alten Grie­chen kann­ten und „kai­ros“ nann­ten. Es ist die Weis­heit, den rech­ten Augen­blick mit Zuver­sicht zu ergrei­fen. Die Kunst der glück­li­chen Ent­schei­dung.